Der Aufstieg der Riesen vom Rhein: Wie Leverkusen in den Siebzigern zum dominierenden Klub der Liga wird
Wie sich aus einer Schul-AG der dominierende Klub der Bundesliga entwickelte: der Aufstieg des TuS 04 Bayer Leverkusen in den siebziger Jahren.
1958 beginnt der erstaunliche Aufstieg in der Geschichte der Bundesliga – und das mit einer Gruppe von zum Teil barfüßigen Schülern. Aus der Schul-AG am Leverkusener Carl-Duisberg-Gymnasium wird eine Basketballabteilung, deren erste Mannschaft 1968 in die erste Liga aufsteigt. Zu dem Zeitpunkt ahnt niemand, dass ein unbekannter Verein vom Rhein die Machtverhältnisse im deutschen Basketball umstürzen wird. Rekordmeister Heidelberg, Gießen als erster Bundesligameister und vielleicht noch der VfL Osnabrück stehen an der Spitze der Nahrungskette, aber das kümmert den TuS 04 Leverkusen nur wenig: Nach dem Aufstieg folgen in zehn Jahren fünf Meistertitel und vier Pokalsiege.
"Wir haben Sachen im Training gemacht, die noch nicht mal bei den Fußballern in dieser Zeit bekannt waren."
– Dieter Kuprella
Grund ist zum einen die Kontinuität im starken Kader. Nationalspieler wie Dieter Kuprella, Norbert Thimm, Rudi Kleen, Achim Kuczmann und Otto Reintjes sind ebenso wie der US-Forward John Ecker viele Jahre für den Klub aktiv, dazu kommt die Ausbildung von Talenten. Dass es zwischen Jung und Alt stimmt, dafür sorgt der Trainer Dr. Günter Hagedorn. Aus Düsseldorf wechselt der damals 35-jährige Diplomsportlehrer und Doktor der Philosophie 1968 nach Leverkusen. Als Dozent an der Deutschen Sporthochschule Köln legt der „Doc“, so sein Spitzname, seinen Fokus auf eine wissenschaftlich fundierte Trainingslehre. „Wir haben Sachen im Training gemacht, die noch nicht mal bei den Fußballern in dieser Zeit bekannt waren“, erinnert sich Aufbauspieler Kuprella.
Der Erfolg kommt schnell: 1969 prescht der Aufsteiger bis ins Halbfinale, 1970 gibt es eine Saison ohne Niederlage und das erste Double aus Meisterschaft und Pokalsieg. „Das war schon eine Wahnsinns-Saison. Aber dafür haben wir auch sehr hart trainiert. Der Trainer war oft unerbittlich“, sagt Thimm. Als Dank mopsen die Spieler Hagedorn nach dem Finale seinen Hut, zünden ihn vor einer Kneipe in Leverkusen feierlich an, um anschließend noch feierlicher die Flammen pullernd wieder zu löschen. „Die Gemeinschaft damals war toll“, sagt Kleen. „Zudem hatten wir sagenhafte Trainingsbedingungen. Die Halle war quasi immer offen, dazu kamen die Querverbindungen zu den anderen Klasse-Sportlern im Verein.“
Unter Hagedorn holt die von Saison zu Saison auf ein paar Positionen veränderte Mannschaft auch 1971 das Double und 1972 die Meisterschaft. Aufgrund personeller Veränderungen –Thimm geht für ein Jahr zu Real Madrid und Ecker zur Beendigung des Studiums zurück in die USA – klappt es mit der nächsten Meisterschaft erst 1976 unter Bernd Röder als Trainer wieder sowie 1979 unter Jörg Trapp. Immer noch mit dabei: Thimm, Ecker, Kleen und Kuczmann. „Wir sind nicht wegen des Geldes in Leverkusen geblieben; es war ja nirgendwo richtig viel zu verdienen“, sagt Thimm. „Aber hier passte das Miteinander, hier stimmten die Rahmenbedingungen und es gab durch das Bayer-Werk berufliche Möglichkeiten.“

Mit dem Pharmakonzern im Rücken geht es auch nach dem Abtritt der ersten Helden weiter nach oben. In den achtziger Jahren wird Reintjes der erste hauptamtliche Klubmanager in der Liga und leitet einen Umbruch im Team ein. Nach den überraschenden Meisterschaften von 1985 und 1986 beginnt Anfang der neunziger Jahre die erfolgreichste Phase. Unter Dirk Bauermann werden von 1990 bis 1996 sieben Meisterschaften in Serie geholt. 1992 löst Leverkusen mit dem zehnten Titel den USC Heidelberg als Rekordmeister ab und thront endgültig an der Spitze des deutschen Basketballs – 34 Jahre, nachdem ein paar Gymnasiasten mit einer Schul-AG das Fundament gelegt hatten.

Und auch in den folgenden Jahren blieb Leverkusen eins der prägendsten Teams in Basketball Deutschland. Bis im Mai 2005 die Erfolgsgeschichte in Leverkusen mit dem Rückzug von Bayer vorerst ein Ende fand.