Münchner Schickeria: Bei der Gründung der Bundesliga war der Münchner Basketball eine wilde Nummer
Ein Altersheim-Besitzer, ein Monatsgehalt von satten 2.000 Mark und ein Mordprozess – Bei der Gründung der Bundesliga war der Münchner Basketball eine ebenso große wie wilde Nummer.
Ein Altersheim-Besitzer, ein Monatsgehalt von satten 2.000 Mark und ein Mordprozess – Bei der Gründung der Bundesliga war der Münchner Basketball eine ebenso große wie wilde Nummer.
"Wenn der Türsteher einen Basketballer erblickte, hat er ihn an der Warteschlange vorbei ins Lokal gewunken."
– Jürgen Schröder
Nicht erst seit dem Bundesliga-Aufstieg des FC Bayern 2011 und dem Titelgewinn drei Jahre später ist München eine Basketball-Hochburg. Schon in den 1960er- und Anfang der 1970er-Jahre waren die Korbjäger aus der bayerischen Landeshauptstadt eine große Nummer. Die halbe Nationalmannschaft spielte in München. Und die Erfolge öffneten ihnen sogar den Zugang zur Schickeria. „Der ‚Alte Simpl’ in Schwabing war damals das Szenelokal schlechthin,“ erinnert sich Jürgen Schröder aus dem Pokalsiegerteam des FC Bayern von 1968. „Wenn der Türsteher einen Basketballer erblickte, hat er ihn an der Warteschlange vorbei ins Lokal gewunken.“
Gleich mit drei Vereinen war München in der ersten Bundesliga-Saison 1966/67 vertreten: dem FC Bayern, TSV 1860 und MTSV Schwabing. Letzterer stieg zwar nach nur einer Saison ab, dafür kam im selben Jahr der USC München ins Oberhaus. Der von Altersheim-Besitzer Georg Rückert finanzierte Club verfolgte ehrgeizige Pläne und lieferte sich mit dem FC Bayern jahrelang ein Duell um die Vorherrschaft. Im Zuge der bevorstehenden Olympischen Sommerspiele hatte sich Rückert vorgenommen, in Kooperation mit der Technischen Universität eine Mannschaft aufzubauen, die um die Meisterschaft mitspielen könne. Mit Studien- und Arbeitsplätzen wurden die besten Spieler der Republik angelockt.
1969 wechselten mit Helmut Uhlig vom Meister VfL Osnabrück, Jürgen Wohlers vom MTV Wolfenbüttel sowie Rolf Dieter und Dieter Schneider vom FC Bayern gleich vier Nationalspieler zum USC, hinzu kam mit dem Deutsch-Ungarn Janos Belik einer der herausragenden Aufbauspieler der damaligen Zeit aus Gießen. Die Saison endete für das Münchner Starensemble als Fünfter der Südgruppe jedoch enttäuschend. Für die folgende Saison sicherte sich Rückert die Dienste von Gießens ehemaligem Meistertrainer Laszlo Lakfalvi, in dessen Schlepptau mit Holger Geschwindner, Ekkehardt Jekeli und Jochen Decker gleich drei Spieler an die Isar kamen.


Der Aderlass rief bei den Hessen Empörung hervor, so dass es beim Münchner Gastspiel in Gießen zu unschönen Szenen kam. Die 2.500 Zuschauer pfiffen die Gäste während der gesamten Spielzeit gnadenlos aus, sogar Bierbüchsen flogen aufs Feld. USC-Akteur Rolf Dieter ging die angespannte Atmosphäre derart an die Nerven, dass er Gießens Kapitän Bernd Röder einen Faustschlag ins Gesicht verpasste. Der 85:81-Heimsieg des MTV wurde fast zur Nebensache.
Dennoch erreichte der USC das Meisterschaftsfinale gegen TuS 04 Leverkusen, das erstmals in Hin- und Rückspiel ausgetragen wurde. Nach einem 85:79-Sieg in der heimischen Sporthalle an der Dachauer Straße durften Geschwindner, Jekeli & Co. sogar vom Titelgewinn träumen, im Rückspiel standen sie mit 51:80 jedoch auf verlorenem Posten.
Ab der Saison 1972/73 trug der USC seine Heimspiele in der Rudi-Sedlmayer-Halle (heute Audi Dome) aus, in der wenige Wochen zuvor das olympische Basketball-Turnier stattgefunden hatte. Obwohl die Münchner für die damalige Zeit beachtliche 2.000 Zuschauer pro Partie anlockten, herrschte in der 6.500 Besucher fassenden Arena geradezu gespenstische Leere. „Die Zuschauer gingen in der riesigen Halle im wahrsten Sinne des Wortes verloren“, erinnert sich Trainer Lakfalvi.
Auch Geldgeber Rückert verlor zusehends die Lust, drehte dem Projekt von Jahr zu Jahr mehr den Geldhahn ab und zog ihn letztlich ganz zu. 1975 fusionierte der USC mit der Basketballabteilung des Ortsrivalen TSV 1860 zur SG BC/USC München, 1977 verabschiedete er sich aus der Bundesliga.


Der FC Bayern wollte dem ambitionierten Lokalkonkurrenten anfangs nicht nachstehen: 1968 gewannen die „Roten“ um die Nationalspieler Hansjörg „Gigs“ Krüger, Klaus Schulz und Dieter Schneider sowie US-Forward Jay Johnson den DBB-Pokal. Im Finale besiegten sie in Darmstadt den MTV Wolfenbüttel mit 59:55. Zwei Jahre später warben sie dem USC sogar dessen Starspieler Helmut Uhlig für ein zur damaligen Zeit exorbitantes Monatsgehalt von 2.000 Mark ab. Die Saison verlief jedoch schicksalsträchtig. Ein US-Amerikaner, mit dem die Münchner die Saison in Angriff nehmen wollten, ertrank noch vor dem ersten Punktspiel bei einer Kajaktour in der Salzach. Sein als Ersatz verpflichteter Landsmann „Slim“ Thornton musste sich im Laufe der Saison in einem Mordprozess vor dem Münchner Schwurgericht verantworten und fehlte über weite Strecken der Spielzeit. Verteidigt wurde er von seinem Mannschaftskameraden Klaus Schulz, im Hauptberuf Rechtsanwalt.
Von diesem Schock erholten sich die Korbjäger von der Säbener Straße nicht mehr richtig. In der Saison 1973/74 konnten sie die Abgänge von Helmut Uhlig, Dieter Schneider und Klaus Schulz sowie des Australiers Peter Byrne nicht kompensieren und stiegen nach achtjähriger Zugehörigkeit aus der Bundesliga ab. Abgesehen von der wenig beachteten und weitgehend erfolglosen Rückkehr zwischen 1987 bis 1989 spielte der große FC Bayern mehr als drei Jahrzehnte unterklassig. Erst 2011 kehrte er zurück, dafür umso eindrucksvoller.