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Der Vorzeigeprofi: Pascal Roller ist über zwölf Jahre das Gesicht des Frankfurter Basketballs

Kein Spieler prägt den Frankfurter Basketball Anfang der 2000er wie Pascal Roller, doch auch außerhalb der Stadtgrenzen genießt er eine immense Wertschätzung

2004

Es genügt ein Satz, um Wesen, Wirken und Wichtigkeit des Basketballspielers Pascal Roller zu beschreiben: Im Jahr 2011 benennt die Bundesliga ihre Auszeichnung für den beliebtesten Spieler einer jeden Saison um in „Pascal Roller Award“. Mehr muss selbst ein Laie nicht über Rollers Karriere wissen. Mehr Wertschätzung geht eigentlich nicht.

Und doch reicht dieser Satz natürlich nicht aus, er greift zu kurz, wird weder dem Status als Sportler noch dem Menschen und seiner Persönlichkeit gerecht. „Pascal Roller ist ein Vorbild für uns alle“, so begründete Liga-Geschäftsführer Jan Pommer damals die Umbenennung jener Fan-Wahl, deren Relevanz und Dimension in der öffentlichen Wahrnehmung bisweilen untergehen. Dabei ist doch das Votum der Fans, das immerhin Wille und Würdigung einer Szene ist, deren Interessen unterschiedlicher nicht sein könnten, die vielleicht höchstmögliche Anerkennung für einen Spieler. Der „Pascal Roller Award“ ist ein Privileg.

In der gerne ins Martialische abdriftenden Sprache des Sports werden verdiente Spieler durch das Prädikat geadelt, sie hätten sich im Laufe ihrer Karriere für ihren Verein aufgerieben, die Knochen hingehalten. Bei Pascal Roller war es immer auch das Gesicht. Er war Aushängeschild der SKYLINERS aus Frankfurt, Werbeträger, Botschafter, Kapitän, Regisseur, Glücksfall, von der Clubgründung 1999 bis zum Karriereende 2011, unterbrochen lediglich von einem kurzen Gastspiel in Italien. 122 Länderspiele. WM-Dritter 2001. EM-Zweiter 2005. Olympiateilnehmer 2008. Deutscher Pokalsieger 2000. Deutscher Meister 2004.

Roller drückte den SKYLINERS seinen Stempel auf, gab dem Spiel eine Struktur. Er war der Spieler, der für Kontinuität, Identifikation und Perspektive stand. Für eine Idee. Eine Philosophie. Der Wert eines solchen Spielers lässt sich schwer bemessen, weil er über die 10,5 Punkte im Schnitt, die 2,8 Assists, die Dreierquote von 38,4 Prozent oder die 86,7 Prozent Wurfquote von der Freiwurflinie hinausgeht. Weil dessen Arbeit nicht mit der ersten Trainingseinheit am Montag begann und nicht mit der Schlusssirene am Sonntag endete. Nicht bei den Interviews. Den Werbedrehs. Den Schulbesuchen. Den Autogrammstunden. Den Charity-Veranstaltungen. Den Empfängen.

Pascal Roller wurde 2004 Deutscher Meister.

Wenn man mit dem ehemaligen Nationalcenter und Rollers Frankfurter Teamkollegen Robert Maras über die gemeinsamen Anfangsjahre als Profis in Freiburg spricht, erinnert sich Maras an einen behüteten, flinken, korrekten, selbstsicheren, meist kontrollierten Pascal Roller. Ein Spieler, der aus der Theorie von Angriffssystemen und Verteidigungsprinzipien erfolgreiche Praxis machte. Der schwer zu greifen war. Einen Plan hatte. Eine Führungspersönlichkeit war er, aber kein Lautsprecher. Dirigent, nicht Darsteller. Und dennoch meinungsstark in seinem Engagement für die Spielergewerkschaft.

1976 in Heidelberg geboren, Ballettausbildung, mit zehn Jahren zum Basketball, später in Langen und Tübingen zum Point Guard geformt, in Freiburg zum Profi gereift, um in Frankfurt in die Fußstapfen von Kai Nürnberger zu treten. Roller gab dem Spiel der SKYLINERS Geschwindigkeit, Kontrolle und Zuverlässigkeit. Sein Dreier aus dem Dribbling war einer der schnellsten und saubersten Sprungwürfe in der Geschichte der Liga. Hochprozentig. Und er gab dem Spiel der SKYLINERS Sicherheit, Gewissheit viel mehr, da der Ball in den vielen engen, nervenaufreibenden Spielen auf nationalem und internationalem Parkett in den Schlusssekunden in keinen besseren Händen aufgehoben war als in denen von Roller, der auch in seiner letzten Saison im Schnitt neun von zehn Freiwürfen traf. Weshalb zu den kitschigsten Momenten seiner Karriere ganz sicher jener aus der Finalserie 2010 gegen Bamberg gehörte, als er Sekunden vor dem Ende der fünften Partie einen Freiwurf zum Ausgleich vergab, obwohl er bis dahin in den Finals alle zehn Versuche eingenetzt hatte.

Während seiner ersten Jahre in Frankfurt studierte Roller am Ginnheimer Institut für Sportwissenschaften, zumindest war er eingeschriebener Student. Einen erfolgreichen Abschluss ließ sein Engagement bei den SKYLINERS nicht zu. Roller war für den Club zu wichtig, eingespannt, auf und neben dem Parkett. Als er im Sommer 2006 nach Italien ging, weil sein Vertrag diese Option für ein Jahr garantierte, verkaufte der Verein den Weggang als „Auslandssemester“, da Roller dieses „Basketballprofessor“-Image anhaftete. Im Ausland zu spielen war immer ein Traum, doch Angelico Biella nicht die Erfüllung. Nicht die beste europäische Liga. Kein herausragender Club. Der FC Barcelona wäre das gewesen. Der spanische Spitzenclub lockte Roller im Januar 2006, aber weil die SKYLINERS damals tief im Tabellenkeller standen, sogar der Abstieg drohte, ließ man ihn nicht ziehen. Jeden anderen vielleicht, aber nicht Roller.

Wie sehr Roller die SKYLINERS verkörperte, welche Hoffnungen, Erwartungen, welche Sehnsüchte mit seiner Person verbunden waren, das alles entlud sich in seinem letzten Spiel, 2. Juni 2011, Playoff-Halbfinale gegen Berlin. Das fünfte Spiel war Minuten vor dem Ende entschieden, Frankfurt ausgeschieden, „Paaaaas-cal Roller!“ schallte es von den Rängen. Als er das Parkett betrat, erhoben sich die Zuschauer. Die Niederlage wurde zur Nebensache. Der Moment hatte etwas Ehrfürchtiges, war intensiv. „Ich wollte aufhören“, sagt Roller später. Es war der richtige Zeitpunkt. Die Koordinaten einer beeindruckenden Karriere hatten sich längst verschoben. Die Einsatzzeit geschmolzen, die Schmerzen gestiegen. „Es war nicht schwer.“

Die Rückennummer 11 wird in Frankfurt nicht mehr vergeben. Diese Geste wird mitunter inflationär gebraucht, doch in der Geschichte der SKYLINERS war Pascal Roller der erste Profi, dem diese Ehre zuteil wurde.