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Der letzte Amateurmeister - Terry und Wilbert und die Göttinger Jungs von der Uni

Anfang der Achtziger gewann Göttingen in der Bundesliga drei Mal die Meisterschaft und zwei Mal den Pokal. Und das mit einer Truppe von Studenten, von denen viele wirklich aus Göttingen stammten.

1980

Anfang der Achtziger gewann Göttingen in der Bundesliga drei Mal die Meisterschaft und zwei Mal den Pokal. Und das mit einer Truppe von Studenten, von denen viele wirklich aus Göttingen stammten.

Ende der siebziger Jahre ging es an der Göttinger Georg-August-Universität hoch her. Auf studentischen Vollversammlungen wurde hitzig über alles debattiert – vom Hochschulrahmengesetz bis hin zur nächsten Demo gegen Atomkraftwerke. Aber so groß die Feindschaft zwischen den Anhängern der verschiedenen Gruppierungen auch war – am Wochenende in der Godehardhalle feuerten alle gemeinsam die heimischen Korbjäger vom SSC Göttingen an. „Heimisch“ war dabei wörtlich zu nehmen, denn viele Spieler kamen aus Göttingen, und genau wie ihre Fans studierten sie. Von den zehn Spielern aus dem Meisterteam von 1980 gaben sieben als Beruf „Student“ an.

Trainer Terry Schofield, der als Lektor an der Göttinger Uni arbeitete, war als Spieler 1973 nach Deutschland gekommen, als es mit den Fußballern von Göttingen 05 gerade bergab ging; die Sportfans an der Leine bekamen Lust auf etwas Neues. Da boten sich die Basketballer um den US-Star, der in jedem Spiel 30 bis 40 Punkte markierte, als neue Attraktion an. Die kleine Wörthhalle, in der noch auf mit Kunststoff überzogenem Beton gespielt wurde, platzte schnell aus allen Nähten – ein Umzug in die neuerbaute Halle an der Godehardstraße wurde zur Saison 1974/75 unausweichlich.

Schofield trieb die Göttinger auch abseits des Parketts nach vorne, indem er sich dafür einsetzte, die überalterte Mannschaft zu verjüngen und zu verstärken. Als 1976 der Aufstieg in die ein Jahr zuvor eingleisig gewordene erste Bundesliga geschafft wurde, hatte der Kalifornier nur noch wenige seiner Mitspieler aus der ersten Saison an seiner Seite. Manche „alte Herren“ nahmen Schofield das übel, aber der Erfolg gab ihm Recht. 1976 und 1978 wurde der SSC Deutscher A-Jugendmeister, und diese Mannschaften um Spieler wie Dirk Weitemeyer, Sebastian Brunnert oder Ecki Lodders, die Schofield im Sommer zum Training mit in die USA nahm, wurden zur Keimzelle für die spätere Meistermannschaft.

Terry Schofield

1977 trat der von Verletzungen geplagte Schofield selbst ab, wechselte auf den Trainerstuhl und holte Wilbert Olinde als neuen Star nach Göttingen. Der elegante Forward wurde unter dem Spitznamen „schwarze Perle“ nicht nur zur Galionsfigur der Göttinger Erfolge, sondern war mit seinem sympathischen Auftreten auch der Publikumsliebling, der endgültig für ausverkaufte Ränge sorgte. Unvergessen sein Auftritt nach der zweiten Meisterschaft im ZDF-Sportstudio, wo er Moderator Karl Senne mit einer goldenen Papierkrone entgegentrat, die ihm die Fans gebastelt hatten. (Hier gibt es Olindes Besuch im NDR Sportclub 2018).

Wer in jenen Jahren in Göttingen eine der begehrten Dauerkarten besaß, wurde darum beneidet, denn der Besuch eines SSC-Spiels bildete damals die obligatorische Eröffnung zum „Saturday Night Fever“ in der Unistadt, das dann in den vielen Studentenkneipen fortgesetzt wurde. Offiziell fasste die Godehardhalle 1.960 Zuschauer, aber bei großen Spielen verwandelten sie deutlich mehr Zuschauer in einen Hexenkessel. Diese Euphorie und das Ansehen, das man als Basketballer in der Stadt genoss, machte Göttingen vor allem für studentische Spieler interessant.

Holger Geschwindner in Göttingen.

Ein von Unterstützern aus Stadt und Wirtschaft gebildeter Förderkreis verstand es jedoch auch, Nicht-Studenten wie Weitemeyer oder später dem bereits dem Studentenalter entwachsenen Holger Geschwindner einen Job im Umfeld der Uni zu beschaffen. Ab 1978 verstärkte Spielmacher Erhard Apeltauer das Team, ein Jahr später fanden die Göttinger in Ulrich „Bob“ Peters endlich auch einen der angesichts der Beschränkung auf nur einen Ami pro Spiel so wertvollen Deutsch-Amerikaner. Mit jeder Verstärkung wurde der SSC erfolgreicher und gewann am 22. März 1980 erstmals den deutschen Meistertitel.

Aber an anderen Bundesliga-Standorten schickten sich mittlerweile reiche Mäzene wie Fritz Waffenschmidt in Köln oder Carl Steiner in Bayreuth an, das Gesicht der Bundesliga zu verändern. In der Universitätsstadt an der Leine gab es solche basketballverrückten Mäzene nicht. Nicht nur das: Es gab in der Universitätsstadt überhaupt keine größeren Unternehmer, die als Sponsoren in Frage kamen. Apeltauer war nach dem Gewinn der Meisterschaft der erste Göttinger, der angesichts eines hohen finanziellen Angebots schwach wurde und sich den von Peter Perwas vollmundig propagierten Giants Osnabrück anschloss. Ein Jahr später ging Geschwindner nach Köln, zwei Jahre später folgte ihm Bob Peters.

Ein paar Jahre konnte der SSC diesem Trend noch trotzen, vor allem durch die Fusion mit dem SSV Hellas zum ASC Göttingen als größtem Sportverein der Stadt. Mit der Verpflichtung des späteren Bundesliga-Topscorers Mike Jackel gelang Schofield ein weiterer Glücksgriff, und die Einbürgerung von Olinde machte Platz für das Engagement des starken US-Spielmachers Donald Mason. 1983 und 1984 gewann der nunmehr in königsblau antretende ASC so noch zwei weitere überraschende Meistertitel und 1984 und 1985 den Pokal. Doch letztlich gerieten die Göttinger mit ihrem Geschäftsmodell immer mehr ins Hintertreffen.

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Ingo Mendel ging nach Bamberg, Armin Sowa nach Bayreuth, Jackel nach Köln und Kapitän Olinde musste seine Karriere wegen einer Krebserkrankung beenden. Mit den zwangsläufig ausbleibenden Erfolgen schrumpfte auch das Zuschauerinteresse, was die Abwärtsspirale beschleunigte. 1988 resignierte auch Schofield und suchte in Bamberg eine neue Herausforderung. Wenige Wochen später erklärte der ASC Göttingen seinen Rückzug aus der Bundesliga.

Gestorben war der Basketball an der Leine damit aber nicht. Die SG Braunschweig rückte kurzfristig für den ASC in die erste Liga auf, und den dadurch in der zweiten Liga freigewordenen Platz nahm die BG 74 Göttingen ein, die heute mit ihren Profisportlern die Göttinger Fahne in der Beko BBL hoch hält. Trotzdem sollte nicht vergessen werden, dass alles einst mit einer Studententruppe begann, die zuerst nebenbei Basketball spielte, um dann zu Beginn der Achtziger die Bundesliga zu dominieren.