Geliebter Feind: Chris Ensminger ackerte 14 Jahre lang unter den BBL-Körben und wurde dafür geliebt und gehasst
Für vier Clubs 14 Jahre in der Bundesliga aktiv. Satte 485 Spiele. Dank 5.438 Punkten auf dem neunten Platz der ewigen Scorerliste. Von 2001 bis 2005 bester Rebounder der Liga.
Für vier Clubs 14 Jahre in der Bundesliga aktiv. Satte 485 Spiele. Dank 5.438 Punkten auf dem neunten Platz der ewigen Scorerliste. Von 2001 bis 2005 bester Rebounder der Liga. Geliebt und gehasst. Der ewige Ense im Portrait.
Es gibt in der Geschichte der Bundesliga einige Spieler, welche die Fanlager gespalten haben, nur wenigen allerdings kam einerseits großer Respekt, andererseits auch tief empfundener Hass entgegen. Und noch seltener sind darunter die wenigen, deren Leistungen am Ende der Karriere trotzdem von allen anerkannt wurden. „Und das, ohne je ein einziges Foul begangen zu haben“, sagt Chris Ensminger und schmunzelt. 14 Jahre hielt der Center in der deutschen Beletage die Knochen hin, avancierte dabei mit 4.093 Brettern zum besten Rebounder der Ligageschichte und ist irgendwie noch heute dabei:
In Berlin erheben sich 14.000 Zuschauer von ihren Sitzen. Sie gestikulieren wutentbrannt gen Spielfeld. Die Geräuschkulisse betäubt die Ohren. „Ensminger raus! Ensminger raus!“, brandet es von den Rängen herab. Dass der Erwähnte zu diesem Zeitpunkt bereits seit zwei Jahren in Basketball-Rente ist? Egal! „Es ist irre, dass mein Spiel anscheinend irgendwie in den Köpfen der Leute hängengeblieben ist, obwohl ich gar nicht mehr auf dem Feld aktiv bin“, sagt Ensminger und fügt lachend hinzu: „Vielleicht bekommen meine Söhne diesen Spruch ja eines Tages auch noch zu hören.“
Insgesamt spielt der 2,09 Meter große Pivot 17 Saisons als Profi, davon nach seinem Abschluss an der Valparaiso University in Indiana die ersten drei in Frankreich, Portugal und Neuseeland. Dann ereilt den Big Man 1999 der Ruf der Wölfe aus Weißenfels – der Start zu einer beeindruckenden Karriere auf deutschem Terrain. „Es kamen einige Dinge zusammen, weswegen ich gemeinsam mit meiner Familie über die Jahre in Deutschland geblieben bin“, so Ensminger. „Als ich mich 2001 in der Liga etabliert hatte und nach Bamberg wechselte, stellte ich schnell fest, dass ich dort in einer Situation bin, die mir auf und abseits des Feldes unheimlich viel gibt.“
Schnell etablieren sich die Franken in der Spitzengruppe der Beletage und erarbeiten sich den Ruf als Bad Boys. „Die Detroit Pistons hatten damals ein Hoch in der NBA, gewannen 2004 den Titel, und wir spielten auch physisch – also kamen die Fans und die Medien mit diesem Slogan für uns auf“, sagt Ensminger. Als Beispiel für Bambergs harte Gangart wird meistens auf ihn verwiesen, aber seine Zonenduelle mit Berlins Übercenter Jovo Stanojevic gehören in diesen Jahren auch zum härtesten, was die Liga zu bieten hat.
Unter Trainer Dirk Bauermann erreicht die Bamberger Truppe um die Big Men Ensminger, Uvis Helmanis und Mike Nahar mehrfach das Finale und landet 2005 sowie 2007 den großen Coup. „Nicht nur, dass es die ersten Meisterschaften für Bamberg waren“, sagt Ensminger, „das Beste daran war, dass wir dadurch in der Euroleague spielten und auf dem höchstmöglichen Level gefordert wurden.“

Wenn er auf seine aktive Karriere zurückblickt, wirkt er dankbar, beinahe demütig. Der Amerikaner rettet durch seine kantige, physische Spielweise einen Stil ins neue Jahrtausend, der im modernen Basketball eigentlich aus der Mode ist. „Ich bin der Meinung, dass du immer jemanden brauchen kannst, der mit dem Rücken zum Brett spielt, am Zonenrand die Verteidigung bindet und sich dort im Eins-gegen-Eins durchsetzt“, sagt er. „So werden Räume für die Schützen frei.“ Beim Positionskampf in Korbnähe geht es beizeiten ruppig zu. Ensminger weiß das und ging dem männlichen Infight nie aus dem Weg. Zur Not wird der Gegenspieler auf robuste Weise am einfachen Abschluss gehindert. Etwas, das Ense-Sense in 14 Jahren satte 1.476 Fouls einbringt und die unbedingte Liebe der Mitspieler und Fans seines Clubs, auf der anderen Seite aber auch Verachtung von gegnerischen Anhängern. „Das hat sich erst geändert, nachdem ich Bamberg verlassen und in Paderborn gemerkt habe, dass ich auch mit Mitte 30 noch effektiv sein kann“, erinnert sich der Familienvater. „Mein Image war für viele sicherlich eng mit dem Bambergs verknüpft.“
Ensminger führt den Aufsteiger aus Ostwestfalen 2009 überraschend in die Playoffs und fordert ALBA BERLIN im Viertelfinale über die volle Distanz von fünf Spielen. Da habe er gemerkt, dass er noch immer hungrig sei und ein wichtiger Faktor für ein Team sein könne, sagt er. Als Folge schließt er sich im Sommer 2009 den Telekom Baskets an. Zwar schafft Ensminger mit Bonn erstmals nicht den Sprung in die Postseason, bekommt dafür im Folgejahr die Chance auf den noch fehlenden Pokalerfolg. Ausgerechnet sein altes Team aus Bamberg verwehrt ihm im Finale den Griff nach dem Pott (73:82). Ein Makel in der Vita?

„Wenn du spielst, willst du natürlich gegen die Besten antreten und Titel gewinnen, aber es gibt auch noch andere Aspekte, die wichtig sind“, sagt er. „Du willst verletzungsfrei bleiben, eine möglichst lange Karriere haben und in Erinnerung bleiben.“ Letzteres ist Ensminger gelungen – wie der Ruf seines Namens noch heute von den Rängen bestätigen kann.