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Elf Jahre wie im Rausch: Wie der BSC Saturn Köln sieben Titel in elf Saisons gewann

Zuerst Basketballer in Hamburg, später Sportchef beim WDR – aber zwischendurch Manager des BSC Saturn 77 Köln: Dietmar Schott erinnert sich an sieben Titel in den elf besten Jahren des Kölner Basketb

1976

Zuerst Basketballer in Hamburg, später Sportchef beim WDR – aber zwischendurch Manager des BSC Saturn 77 Köln: Dietmar Schott erinnert sich an sieben Titel in den elf besten Jahren des Kölner Basketballs.

Frühling 1976, Hauptversammlung des ASV Köln. Ein Tag im Müngersdorfer Klubheim, der im rheinischen Basketball alles verändert. Hauptsportwart Manfred Germar, einst Sprinteuropameister, steht auf und kündigt die Rückgabe der Bundesligalizenz an. Der ASV sei ein Leichtathletikverein, man könne sich so eine teure Basketball-Mannschaft nicht mehr erlauben. Wenn jedoch jemand bereit wäre, das Defizit von 30.000 Mark zu begleichen, würde man weitermachen. Wolfgang Kleine, basketballverrückter Redakteur beim Kölner Express, richtet über seine Zeitung das Spendenkonto „Rettet den Kölner Basketball“ ein. Kleine ist der Einzige, der ein paar Mark einzahlt. Für uns Spieler bricht eine Welt zusammen. Das Aus für den Kölner Basketball?

Dann geschieht das Wunder. An einem Sommertag im Juni 1977 klingelt das Telefon: „Waffenschmidt. Guten Tag, Herr Schott!“ Wer ist das? Friedrich-Wilhelm Waffenschmidt klärt auf. Er sei Gründer der Firma Saturn. Elektrogeräte, HiFi, Stereo, Kameras und vor allem Schallplatten: Saturn verkauft im Weihnachtsgeschäft an einem Samstag so viele Platten, dass sie aufeinander gestapelt den Kölner Dom überragen würden. „Ich will helfen! Was kann ich tun?“ Einen Tag später sitzen wir in Waffenschmidts Büro.

Ein Mann, der noch nie ein Basketballspiel in der Halle erlebt hat, aber im Fernsehen beim Spiel Leverkusen gegen Heidelberg seine Begeisterung für diesen Sport entdeckt. Mich kennt er zwar als ARD-Reporter des WDR, aber ich ahne nicht, dass ich von nun an seine rechte Hand als Basketball-Manager werden würde. Waffenschmidt, den wir bald nur noch „Waffi“ nennen, handelt zügig: Das Defizit wird ausgeglichen, und nach einem Übergangsjahr heißt der Klub BSC Saturn 77 Köln. Für Anni und Fritz Waffenschmidt, die aus einem Elektrogeschäft den Discountriesen gemacht hatten, beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Nun haben die beiden ein Hobby, hängen am Basketball und zeigen Geduld. Selbst der jugoslawische Weltmeister Dragan Kapicic erreicht mit Köln gerade so die Endrunde und dort nur den sechsten Platz. Die erste Saison unter neuem Namen endet im Fiasko: Eine Niederlage gegen den MTV Gießen – und aus der Traum von der Finalrunde. Aber die Waffenschmidts lassen sich nicht entmutigen, und 1980 folgt der erste Titel.

Die junge Mannschaft mit Werner Mock, „Günnes“ Ludwig, Jörg Heidrich, Berni Steffen, Peter Schiefer und dem Ur-Kölner Klaus Zander gewinnt unter US-Trainer Bruce Randall das Pokalfinale gegen den MTV Gießen mit 78:62 und holt im Gießener Rückspiel am 29. März 1980 trotz einer 68:70-Niederlage den ersten Titel, zu dem die Routiniers Michael Pappert, Sebastian Brunnert und Rainer Schulte ihren Teil beitragen. Was bin ich mit einem Sack voller Münzen durch Gießen geeilt, um eine internationale Telefonzelle zu finden und den Waffenschmidts den großen Erfolg zu verkünden …

Dietmar Schott

"Dietmar, hol uns den Jackel!"

– Friedrich-Wilhelm Waffenschmidt

Nach Bruce Randall folgen Theodor „Torry“ Schober und Gerd Samberger, die 1972 die deutsche Mannschaft bei den Olympischen Spielen betreut hatten. Ein Trainerduo, das 1981 in Köln einschlägt. Welch ein Jahr für uns! In der Endrunde gibt es ein 100:85 gegen den Erzrivalen aus Leverkusen. Der aus den Staaten heimgekehrte Pappert ist mit 31 Punkten maßgeblich am Titelgewinn beteiligt ebenso wie John Neumann, der schwergewichtige Profi von den Los Angeles Lakers. Waffenschmidt habe bei dem US-Star nach Gewicht eingekauft, höhnt die Kölner Presse, merkt aber schnell, welch ein effektives Juwel unter den Körben dominiert. Nach der Saison folgt das Pokalfinale: Zwei nervenaufreibende Endspiele mit dem SSV Hagen, und das ersehnte Double steht fest. Im Jahr darauf wiederholen wir diesen Triumph um ein Haar: Die Meisterschaft wird verteidigt, aber im Pokal fehlen gegen Wolfenbüttel vier Pünktchen. Zu dem Zeitpunkt, 1982, ist Saturn eine starke Mannschaft, bis 1987 wird daraus eine deutsche Spitzenmannschaft, die auch in der Europaliga mit der europäischen Prominenz mithalten kann.

Mike Jackel im Kölner Trikot.

Neben Zander stehen Ausnahmespieler wie Centertier Rick Hunger, NBA-Guard Bryan Warrick, Nationalspieler Mike Jackel und die Talente Hansi Gnad und Stephan Baeck im Kader. Jackel hatte uns als Spieler in Wolfenbüttel und Göttingen oft das Leben schwergemacht. Dann kommt die Ansage von Waffenschmidt: „Dietmar, hol uns den Jackel!“ Im Januar 1985 ist die ganze Bundesliga hinter ihm her … aber wir haben den Vertrag mit ihm bereits seit Dezember in trockenen Tüchern: Jackel liebt Golf, im Kölner Umland gibt es einige Plätze … der Rest ist ein Handschlag zwischen Mike und Fritz. In den Finals von 1987 und 1988 sollte Jackel der beste Kölner Schütze werden.

Der gebürtige Kölner Stephan Baeck reift als Riesentalent bei Bayer Leverkusen heran. In einem Leverkusener Eiscafe kann ich ihn überzeugen, dass der BSC Saturn der einzig wahre Klub für ihn ist. „Das war die beste Entscheidung für mich“, sagt er heute. „Es waren herrliche Zeiten, die keiner vergessen wird, der dabei war!“ Während BSC-Geschäftsführer Ralph Beckmann und ich Baeck bereits in Leverkusen erlebt hatten, ist Hansi Gnad uns unbekannt, als wir uns daran machen, ihm ein Angebot zu unterbreiten. Auf der Fahrt zum Punktspiel nach Hagen sagt Trainer Ralph Klein: „In Alaska spielt einer ganz gut Basketball, obwohl er eigentlich ein Schwimmer ist!“ Das ist zweifelsohne ein Auftrag. Der Startrainer aus Tel Aviv möchte Gnad verpflichten, und Hansis Eltern wollen ihren Filius sowieso gern wieder in Deutschland haben und helfen. Von uns bekommt er einen Vertrag, obwohl in Alaska sein Studium noch läuft. Seine Träume von der NBA zerplatzen, aber in seinen ersten beiden Jahren als Spieler bei uns holt er direkt zwei Meisterschaften …

"Ja, wenn der Dietmar mich anrief, kostete das immer eine Menge Geld!"

– Friedrich-Wilhelm Waffenschmidt

Waffenschmidt lacht noch heute, wenn er daran denkt, wie wir gute Spieler an den Rhein lockten: „Ja, wenn der Dietmar mich anrief, kostete das immer eine Menge Geld!“ Aber Qualität, Harmonie und Zusammenhalt bringen vier Meisterschaften und drei Pokalsiege. Neben anfangs Göttingen und am Ende Bayreuth ist vor allem Leverkusen der große Rivale. Baeck, der 1985 von dort zu uns wechselt, Pappert, der den umgekehrten Weg geht, die Nähe der Städte, die beim Derby immer überausverkauften Hallen, der Anspruch beider Klubs, die Nummer eins zu sein: Gründe gibt es viele, warum diese Paarung die Fans aus den Sitzen reißt, die entscheidenden sind die drei Finalduelle von 1986 bis 1988. Das erste gewinnt Leverkusen mit 2-0, aber im Jahr darauf revanchieren wir uns: Zuerst ein unerwarteter 75:65-Sieg im Feindesland und ein paar Tage später in Müngersdorf eine Verlängerung, in der Zander alle fünf Kölner Punkte macht, bevor der 75:74-Sieg uns jubeln lässt. Vor dem dritten Finalduell – erstmals sind drei Siege nötig – ist die Anspannung auf beiden Seiten mehr als greifbar. Vier Endspiele sind im April 1988 nötig, denn bei der 92:111-Niederlage für uns helfen auch die Zähler von Baeck (24 Punkte), Warrick (23) und Jackel (23) nichts, aber wir gewinnen die drei weiteren Spiele und feiern unsere vierte und letzte Meisterschaft.

In der Erinnerung stehen über dem Derby nur die Partien in der Europaliga, für die wir auch in die alte Kölner Sporthalle in Deutz umzogen und vor 7.000 Zuschauern rauschende Europapokalfeste feierten. Unvergessen: 102:78 gegen Tracer Mailand, 110:99 bei Partizan Belgrad, 126:97 gegen Nashua den Bosch. Große Leistungen auch gegen Maccabi Tel Aviv, Aris Saloniki und gegen Orthez aus Südfrankreich. Das Erreichen des Viertelfinales als Erfüllung eines Traums.

https://www.youtube.com/watch?v=kBIfszCmpp0

Ansonsten? Wenn ich über die damalige Zeit nachdenke, gibt es neben Waffenschmidt und den Spielern zwei Weltklassetrainer, die ich hervorheben möchte: Ralph Klein aus Israel und der Amerikaner Tony DiLeo. Zuerst zu Klein: Wir spielten in Tel Aviv, und ich lernte Klein kennen, der in seiner Heimat die Popularität eines Franz Beckenbauer bei uns besaß. Er war Spieler bei Maccabi gewesen, dort zehn Mal Meister geworden, hatte 120 Mal für Israel gespielt und war neun Jahre Coach bei Maccabi. „Hätten Sie nicht Lust, einmal in Deutschland zu arbeiten?“, fragte ich ihn. „Vielleicht in Köln?“ Er hatte Lust, Waffenschmidt war begeistert, und so kam Klein am 19. April 1983 an den Rhein. Ich dachte, dass wir mit ihm nun die Basketballwände aus den Angeln heben, die aber blieben da, wo sie immer waren. Wir hatten nach wie vor eine sehr starke Truppe, gewannen aber mit ihr keinen Titel. Immerhin übernahm Klein in Personalunion auch die deutsche Nationalmannschaft, mit der er in Stuttgart bei der EM den guten fünften Platz erreichte.

Titel gab es bekanntermaßen dann aber doch noch für Köln. Aus Düsseldorf kam Tony DiLeo von der Damenmannschaft Agon 08. Sieben deutsche Meisterschaften und sechs Pokaltriumphe feierte der sympathische Amerikaner mit dem Team, aber was sollen wir mit einem Damentrainer? In den Kölner Vorstandskreisen war man von der Idee nicht begeistert. Ich sah es anders. Wer mit Frauen so gut zurechtkam, sollte auch unser Herrenteam zu alten Erfolgen führen, und genauso war es. Aus tollen Spielern formte DiLeo eine harmonische Mannschaft, die er 1987 und 1988 zur Meisterschaft führte.

Aber bei aller Begeisterung an jenem 27. April 1988, als gegen Leverkusen der vierte Titel gefeiert wurde – dort unten stand ein Meister ohne Zukunft! Die Waffenschmidts hatten ihren Konzern verkauft und wollten sich in Florida zur Ruhe setzen. Und es sah nicht danach aus, dass die neuen Besitzer die Unterstützung des Kölner Spitzenbasketballs fortführen würden. Ich ahnte, dass nach elf Jahren nun alles zu Ende ging. Was danach kam, war ein verzweifeltes Bemühen der überforderten Funktionäre, ein Dahinvegetieren unter falscher türkischer Flagge. Konkurs, Schuldenberg. Bundesligastars beim Arbeitsamt. Schließlich das Aus. Trotzdem: elf Jahre BSC Saturn 77 Köln. Eine Zeit, die ich nie vergessen werde und die im Juni 1977 mit einem Telefonat begann.